An 25 Standorten in der Leipziger Innenstadt, sogenannten Zeitfenstern, ist es möglich, historische Fotografien interaktiv mit der aktuellen Kamerasicht eines Tablets oder Smartphones verschmelzen zu lassen und historischen Wandel zu erleben: Die von der Universität Leipzig (Geschichtsdidaktik) entwickelte App macht das Handy so zur Zeitmaschine im Hosentaschenformat, der Nutzer wird zum Reisenden an historische Orte des gesellschaftlichen Umbruchs. Neben diesem interaktiven Zugang bewahrt die App einen Schatz an zusätzlich rund 300 abrufbaren Artefakten. Diese ausschließlich originalen Dokumente aus Stasi- Akten, Flugblättern der Bürgerbewegung und zeitgenössischen Videoaufnahmen ermöglichen einen multimedialen Blick auf einen zentralen Aspekt Leipziger Stadt- und Zeitgeschichte. Durch zusätzlich integrierte Audioguides sowie eine Navigationsfunktion, die die Route zu den Zeitfenstern anzeigt, wird die Stadt Leipzig zum virtuellen Geschichtspfad an der Schnittstelle von Vergangenheit und Gegenwart. Die App ist kostenfrei auf Deutsch und Englisch für iOS und Android erhältlich.
Erinnerungsorte
Um die Erinnerung an die Friedliche Revolution in Leipzig wach zu halten und ihre Bedeutung für die Demokratie der Gegenwart deutlich zu machen, verbindet die Stadt Leipzig Elemente einer lebendigen Erinnerungskultur mit der sichtbaren Verankerung des Gedenkens im öffentlichen Raum. Vor allem im unmittelbaren Umfeld authentischer Orte der Friedlichen Revolution und unter direkter Bezugnahme auf diese Orte zeugen neu geschaffene Denkmale von den Ereignissen des Jahres 1989.
Hörspaziergang Matthäikirchhof: Die Keimzelle der Stadt
Der Hörspaziergang der Leipziger Künstlerin Diana Wesser im Auftrag der Stadt Leipzig vermittelt die Geschichte des Matthäikirchhofs von der Urbs Libzi über die verschwundene Matthäikirche bis zu den heute teilweise leerstehenden Betonriegeln der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung. Anhand vertonter Hörspielminiaturen, in denen zahlreiche Expertinnen und Experten sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Wort kommen, wird das Publikum in diesem akustischen Geschichtslabor dazu eingeladen, in die verschiedenen Zeitschichten des Areals einzutauchen und den Ort mit neuen Augen zu entdecken. Verfügbar ist der Hörspaziergang über einen QR-Code in der großen Fleischergasse vor dem Gebäude der ehemaligen Volkspolizei sowie online als Link auf www.leipzig.de/matthaeikirchhof.
Nickolaikirchhof - Nikolaisäule
Ausgehend von den Friedensgebeten in der Nikolaikirche eroberte 1989 der Protest den öffentlichen Raum. Seit 1999 erinnert auf dem Nikolaikirchhof die Nachbildung einer mit Palmwedeln gekrönten Säule aus dem Kirchenschiff an den Ausgangspunkt der Leipziger Montagsdemonstrationen. Das Projekt des Leipziger Künstlers Andreas Stötzner trägt den Gedanken des Aufbruchs symbolisch aus der Kirche hinaus. Zwei Drittel der zum Bau benötigten Mittel wurden durch Spenden von Bürgern, Unternehmen und Einrichtungen erbracht.
Segment der Berliner Mauer
Vor der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ steht ein Stück der Berliner Mauer. Die ehemalige Stasi-Bezirksverwaltung und die Mauer symbolisieren gleichermaßen die Unterdrückung durch die SED und die Stasi. Erst diese unmenschliche Grenze mitten durch Europa, die auch im Innern des Landes gesichert wurde, ermöglichte das Funktionieren der SED-Diktatur.
Areal Matthäikirchhof
Das historisch vielschichtige Areal der früheren Leipziger Bezirkszentralen von Staatssicherheit und Volkspolizei der DDR zwischen Dittrichring und Matthäikirchhof soll in einem Gesamtentwicklungsprozess zu einem neuen, urbanen Raum für lebendige Demokratie und des Austausches von Generationen zu Zeitgeschichte, Gegenwart und Zukunft etabliert werden. Ein „Forum für Freiheit und Bürgerrechte/Demokratiecampus“, so der Arbeitstitel, unter anderem mit einem Archivneubau für die sächsischen Stasi- Unterlagen, soll als zentraler Ort für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur, den Oppositions- und Widerstandsbewegungen in der DDR und der Aufarbeitung der Friedlichen Revolution von 1989 entstehen. Ein erster Entwurf für die konzeptionelle Ausrichtung wurde gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren des Forums Anfang 2023 abgestimmt und dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt. Während der Friedlichen Revolution führten die Montagsdemonstrationen seit dem 2. Oktober 1989 an dem Gebäudekomplex, der „Zwingburg der SED-Diktatur“, vorbei, die am 4. Dezember 1989 friedlich besetzt wurde. So ist die „Runde Ecke“ heute sowohl ein authentischer Ort der Geschichte von Repression und Unterdrückung in der DDR als auch der Selbstbefreiung von der SED-Diktatur durch die Friedliche Revolution. Zwei temporäre historische Ausstellungen verweisen seit April 2021 auf die historische Dimension und vielfältige städtebauliche Entwicklung des Areals, ein Ort im stetigen Wandel der Zeit: die städtische Ausstellung an der Fassade der ehemaligen Volkspolizei sowie die Open- Air Ausstellung der Gedenkstätte „Museum in der Runden Ecke“ im Innenhofgelände. In einem beispielhaften Bürgerbeteiligungsprozess hat Leipzigs Stadtgesellschaft den Verlauf der Entwicklung des Gesamtareals in verschiedenen Formaten mitgestaltet.
In den Jahren 2021 bis 2024 wurden die Bürgerinnen und Bürger begleitend zu einem städtebaulichen Wettbewerb bei wichtigen Fragen, wie dem Erhalt oder Abriss des Gebäudebestands, einbezogen und haben mitdiskutiert. Der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs wurde Anfang 2024 von einem Preisgericht ausgewählt und dient nun als Leitfaden für die Umgestaltung des Matthäikirchhofs.
Gedenktafel "Stasi-Besetzung"
Ein Nachguss des originalen Hausschildes der ehemaligen Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig weist am Dittrichring 24 auf den Ort hin, von dem aus die Staatssicherheit fast 40 Jahre lang Leipzig und seine Bürger überwachte und bespitzelte. Die Tafel mit der Inschrift „Hier befand sich von 1950 bis 1989 die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Bürger besetzten sie während der Montagsdemonstration am 4. Dezember 1989.“ würdigt zugleich die friedliche Besetzung des Hauses als einen zentralen Akt der Selbstermächtigung der Bürger der Stadt auf dem Weg zu einer demokratischen Erneuerung des Landes. Geschaffen wurde die Gedenktafel durch den Leipziger Künstler Matthias Klemm.
Lichtinstallation und Brunnen
Friedensgebete und Montagsdemonstrationen haben die Leipziger Nikolaikirche weltweit zum Sinnbild für die Friedliche Revolution von 1989 gemacht. 2003 wurde die Gestaltung des Nikolaikirchhofs mit Unterstützung der Stiftung „Lebendige Stadt“ vollendet. Grundlage bildete ein Wettbewerb, den die Kulturstiftung Leipzig zusammen mit der Stadt Leipzig und der Stiftung „Lebendige Stadt“ ausgelobt hatte. Kernstücke sind, ergänzend zur 1999 errichteten Nikolaisäule, ein von David Chipperfield (London) entworfener Granitbrunnen sowie die Lichtinstallation des Leipzigers Künstlers Tilo Schulz mit 144 in das Bodenpflaster eingelassenen farbigen Glaswürfeln. Das Prinzip des Lichtkunstwerkes „Öffentliches Licht“ auf dem Kirchhof, die zufallsgesteuerte Zuschaltung je eines Leuchtwürfels der Installation pro Minute, die den langsamen Aufbau friedlicher Versammlungen symbolisiert und so an die Bedeutung des öffentlichen Raums als Podium der freien Meinungsäußerung mündiger Bürger erinnert, ist auf Grund umfangreicher technischen Störungen gegenwärtig nicht betriebsbereit und damit auch leider nicht erlebbar.
Glocke der Demokratie
Am Eingang zur Grimmaischen Straße erinnert seit 2009 eine Glocke an die entscheidende Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989, mit der das Ende der DDR „eingeläutet“ wurde. Dabei handelt es sich um ein Geschenk der ostdeutschen Gießereiverbände an die Stadt Leipzig anlässlich des 20. Jahrestages der Friedlichen Revolution am 9. Oktober 2009. Für die künstlerische Gesamtkonzeption lobte die Kulturstiftung Leipzig einen Gestaltungswettbewerb aus, in dem sich der Künstler Via Lewandowsky aus Berlin durchsetzen konnte. Gegossen wurde die Glocke im August 2009 in der Kunstgießerei Lauchhammer.
Open-Air Ausstellung
"Orte der Friedlichen Revolution"
An 20 Originalschauplätzen in der Leipziger Innenstadt wird die Aufbruchsstimmung in der DDR 1989/90 erlebbar. Als chronologischer Rundgang angelegt, verdeutlicht die Open-Air-Ausstellung der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, wie aus den oppositionellen Aktionen Einzelner eine Massenbewegung entstand, die die SED-Diktatur in der DDR zum Einsturz brachte und den Weg zur Deutschen Einheit freimachte. Die Stelen mit deutsch-englischen Texten und Bildern bieten einen Stadtrundgang der besonderen Art für alle, die sich über die Rolle Leipzigs als Stadt der Friedlichen Revolution informieren wollen.
"Horchturm an der Ohrenburg"
Die Verkleidung des Treppenturms des Neubaus der ehemaligen Leipziger Stasi-Zentrale am Ring erinnert mit seinen Fassadenornamenten in Ohrenform in sehr besonderer Form an die ehemalige Nutzung des Geländes durch die Staatssicherheit der DDR. Zum Lichtfest 2013 wurde dies durch eine Lichtinstallation in besonderer Weise visualisiert. Das Konzept wurde von der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gemeinsam mit dem langjährigen künstlerischen Leiter des Lichtfestes, Jürgen Meier, entwickelt.
Während des 9. Okotbers und in der folgenden Woche wird der im Volksmund als „Ohrenburg“ bezeichnete Treppenturm des Neubaus der Leipziger Stasi-Zentrale zwischen 18.00 und 24.00 Uhr blau erleuchtet. Als optische Landmarke ist die Lichtfarbe weithin sichtbar und die Gegenwart der DDR-Vergangenheit wird eindrucksvoll symbolisiert. Damit wird neben der Nikolaikirche und dem Augustusplatz, auf dem das Lichtfest stattfindet, ein weiterer wichtiger Ort der Friedlichen Revolution in die Feierlichkeiten einbezogen. Das Kunstprojekt wird jährlich wiederholt.
Europäisches Kulturerbe "Eiserner Vorhang"
Seit 2012 gehören die Nikolaikirche, die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ und der Leipziger Ring offiziell zu den Stätten des Europäischen Kulturerbes „Eiserner Vorhang“. Das Netzwerk vereint insgesamt zwölf Orte und Stätten, die für Entstehung, Existenz und Überwindung von Mauer und Stacheldraht stehen. Leipzig ist der einzige der ausgewählten Orte, der nicht an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze liegt, und verdeutlicht, dass der Fall des Eisernen Vorhangs ohne die Friedliche Revolution nicht möglich gewesen wäre.
Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal
Der Leipziger Stadtrat hat sich im Juni 2022 für den Wilhelm- Leuschner-Platz als künftigen Standort für das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal ausgesprochen. Er folgte damit den Empfehlungen des Beteiligungsprozesses zum Denkmal, der durch die Stiftung Friedliche Revolution im Auftrag des Stadtrates initiiert wurde. Im Prozess wurden durch einen Bürger- und Expertenrat mit wettbewerbserfahrenen Fachleuten aus den Sparten Denkmalskultur, Kunst und Architektur verschiedene Standorte in der Leipziger Innenstadt diskutiert. Für den Wilhelm-Leuschner-Platz sprechen vor allem seine räumlichen Qualitäten sowie die gute Erreichbarkeit. Im zum Juni 2024 ausgelobten künstlerischen Wettbewerb sind nun insgesamt 36 Teilnehmer eingeladen, Ideen für ein Denkmal in Leipzig zu entwerfen, dass die Brücken zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schlägt – an einem spannenden Ort mitten in der Stadt. Der Siegerentwurf soll durch eine regional und international besetzte Fach- sowie Sachpreisjury im Oktober 2024 gekürt werden.